ArtNews 06

Seine Aufnahmen reflektieren, differenzieren und erweitern die Sichtweise. Er fängt intensive Momente mit natürlicher Ästhetik ein. Alle Fotos kommen ohne aufwendige Bearbeitung zur Wirkung, was heutzutage eher die Ausnahme ist. Ein Gespräch über die künstlerische Fotografie und die philosophischen Gedanken dazu, das Einfangen von Sinnlichem und Intuitivem – und über die Kraftquelle Allgäu. 

Aus »Das schöne Allgäu« 4/2024

Die alte Frau schaut zufrieden in die Ferne. Ihr zerklüftetes Gesicht erzählt Geschichten. Es erinnert an eine Landschaft voller Rinnen und Furchen, eingeschrieben vom bisherigen Leben in der Sonne und im Wind. Ein Bild von immenser Ehrlichkeit und Kraft. Daneben ein Foto eines in Decken gehüllten Mannes, barfuß und sinnierend vor einem üppig dekorierten Schaufenster. Dieses Fotopaar zeigte der Künstler Ebby Hauser anlässlich der großen diesjährigen Überblicksschau des BBK Allgäu/Schwaben-Süd in der Schwabenakademie Irsee. 

Ebby Hauser Untold Stories

Fotos als Einladung zum Nachforschen  

In der BBK-Schau „Blickwechsel“ in Kempten im Mai präsentierte er zwei ganz andere Werke. Zwei Aufmerksamkeit erweckende Fotoarbeiten, die auf den ersten Blick wirken wie Fotomontagen oder gar mit künstlicher Intelligenz generiert. Sind sie aber nicht, denn Hausers Fotokunst sind Originalaufnahmen, also so wie vom Künstler tatsächlich gesehen.

Durch die perfekt gewählte Perspektive des Fotografen wirft auf beiden Bildern die Frau ihren suchenden Blick hinter einer Säule auf den Betrachter, wie aus einem Versteck. „Diese Arbeiten stammen aus meiner Werkgruppe „Blickachsen“. Sie sollen mit Sehgewohnheiten brechen und zum Nachforschen einladen“, erklärt Hauser den fragenden Besuchern der Ausstellung.

Emotional berührende Werke

Bei dieser Art Bilder wird sichtbar, dass Ebby Hauser nicht nur ein erfahrener Fotograf ist, sondern auch ein studierter Psychologe, Psychotherapeut und Coach. Seine Bilderserien tragen Titel, die auf existentielle Fragen unseres Lebens hinweisen.

So waren im Mai in Venedig – parallel zur Biennale – drei Werke aus seiner Bilderserie „Comfort Zones“ im Palazzo Albrizzi-Capello ausgestellt. „Für diese Ausstellung habe ich mich für ein Großformat entschieden. Denn ein Renaissance-Palazzo mit Murano-Leuchtern und Stuckverzierungen ist eine schwierige Umgebung, da muss die Auswahl gut passen“, so der Fotokünstler. Die drei Arbeiten zeigen Blicke aus einem harmonischen, geschützten Innenraum in eine unübersichtliche Wirklichkeit draußen: „Bei genauerem Hinsehen entdeckt man etwas Verstörendes in jedem Bild – dadurch entsteht oft eine fast surreale Stimmung.“

Auf einer großformatigen Fotografie, das fast ein Gemälde von Canaletto sein könnte, ist plötzlich im Hintergrund ein moderner Baukran zu sehen. Auf einem anderen Bild fordern dagegen Spiegelungen das gewohnte Raumverständnis des Betrachters heraus. Der Entstehungsort des Fotos ist für Hauser unwichtig, entscheidend ist die Wirkung, die es im Betrachter erzeugt.

„Wenn ein Werk einen Betrachter innehalten, vielleicht sogar nachspüren und überlegen lässt, dann habe ich mein Ziel erreicht“, so der gebürtige Ulmer.

Sein künstlerischer Anspruch ist, mit seinen fotografischen Werken Assoziationen auszulösen und Menschen auf vielerlei Ebenen anzusprechen – intellektuell und emotional.

Grundlegende Fragen des Lebens

Zum Fotografieren ist Ebby Hauser vor allem über seine vielen Reisen gekommen. Oft entdeckt er spannende Motive, wenn er allein unterwegs ist: „Ich muss mich zuerst einmal in einen resonanzfähigen Zustand versetzen, nur dann kann ein künstlerisch gültiges Bild entstehen. Und das gelingt mir am ehesten, wenn ich alleine bin.“ Ist ein lohnendes Motiv gefunden, dann variiert der Künstler nach und nach das Thema und entwickelt die gedankliche und visuelle Linie weiter. Daraus entstehen Werkgruppen, die sich mit grundlegenden Fragen des Lebens beschäftigen, wie Encounters (Begegnungen), Vanitas (Vergänglichkeit) oder Glimpses (flüchtige Blicke).

Letztere sind Portraitstudien, zu denen auch die anfangs erwähnte alte Frau gehört. Natürlich weiß auch Hauser, dass man sich als Fotokünstler in einer Welt bewegt, in der wir alle tagtäglich mit Bildern und visuellen Eindrücken überflutet werden. Smartphone und soziale Medien haben endlose Bilderstrecken zu ständigen Begleitern unseres Alltags gemacht. Umso wichtiger ist es ihm daher, mit seinen Bildern ein Zeichen zu setzen und für ein kurzes Drücken der Pausentaste in der visuellen Dauersendung zu sorgen.

Hotelturm Augsburg

In Dialog gehen mit der Kunst

Nur konsequent, dass Hauser, der nach wie vor als Business Coach hochrangige Manager berät, darüber hinaus weitere ungewöhnliche Projekte entwickelt. Anlässlich eines internationalen psychologischen Kongresses in Würzburg bespielte er das Foyer mit einer großen Ausstellung, die er „Untold Stories“ nannte. Dazu hängte er jeweils drei Bilder als Triptychon zusammen und lud die Betrachtenden ein, ihre Assoziationen zu den Bildern zu einer Geschichte zu verdichten, also „ihre“ Geschichte dazu zu erzählen.

Unter jedem Triptychon befand sich dafür ein einfach zu bedienendes Aufnahmegerät. Lustige und nachdenkliche Kommentierungen sind in dieser dialogischen Atmosphäre entstanden. Eine Fotoausstellung zum Mitmachen, darunter auch drei Allgäu-Motive mit Tieren und Menschen und sicherlich überraschenden Geschichten dazu.

Das Allgäu als Ort für die Seele

Bereits seit mehr als 20 Jahren ist das Allgäu die zweite Heimat der überwiegend in Augsburg arbeitenden Familie Hauser. Und natürlich sind in dieser Zeit auch Serien mit unverkennbarem Allgäubezug entstanden. Im Herbst werden in der StadtHausGalerie Sonthofen Motive zu sehen sein, die sich mit Zeit und Zeiterleben beschäftigen. Eine aktuelle Werkgruppe „Same but different“ ist in Hausers Atelier gerade im Entstehen. So viel darf schon verraten werden: Es sind eingefangene Allgäuer Momente in unterschiedlichen Farben und zu unterschiedlichen Zeitpunkten, jeweils als Duett kombiniert.

Weitere geplante Projekte sind Fotoserien mit den Titeln „Stereotype“ oder „Rückzugsorte“. Allerdings befindet sich ein großer Teil der gelungenen Aufnahmen noch in einem Sammelordner, den Hauser „Steinbruch“ nennt. „Aus diesem Steinbruch heraus entstehen Ideen für Ausstellungen oder neue Werkgruppen“ sagt der Allgäu-Liebhaber.

Für die Präsentation seiner Fotoarbeiten hat der Künstler Räume am neuen Kulturquartier im Gaswerk Augsburg bezogen. Ein kreativer, geschmackvoll gestalteter Ort, an den er sich zum Arbeiten und Ausprobieren zurückziehen kann und interessierte Kunden empfängt. Eine Welt voller großartiger Fotoarbeiten, die in ihrer Vielfalt, Farbigkeit und Größe beeindrucken. Und doch ist die Alpe im Ostallgäu für Ebby Hauser ein Seelenort. Für ihn der beste Platz, um zu sich selbst zu finden: „Das Allgäu und seine Menschen bedeuten mir viel.“

Text: Edith Reithmann
Bilder: Archiv Ebby Hauser